Burak Caliskan.
Im Sommer 2019 empfing mich die Yonsei University als visiting scholar zum Forschungsaustausch. Der akademische Kalender der Medizinischen Universität Wien ermöglicht es durch die Sommerpause und vorlesungsfreie Zeit, diverse mehrwöchige Praktika im In- und Ausland zu organisieren. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, oftmals auch geförderte, und an mit der Medizinischen Universität Wien kooperierenden (uni- als auch bi-lateral) Institutionen.
Die Yonsei University zählt neben der Seoul National University und Korea University zu den „SKY“, welche als die renommiertesten Universitäten des Landes gelten.
Junge KoreanerInnen und ihre Familienangehörigen nehmen große Belastungen und Testanläufe auf sich, um StudentIn an einer der drei genannten Universitäten zu werden. Die Yonsei Medical School, als Medizinische Fakultät der Yonsei University entstanden, verfügt über 2 Campi: einen in Seoul und einen in Wonju. Der Campus in Wonju ist angebunden an das Severance Hospital, welches gleichzeitig als Universitätsklinikum und als Ausbildungsstätte für ihre MedizinstudentInnen dient. Das Wonju Severance Hospital ist ein Maximalversorger-Spital für die Provinz Gangwon. Angebunden an das Krankenhaus sind zahlreiche Forschungsinstitute und Labore. Meine Arbeitsstätte war das Mitohormesis Research Center (MRC), das dem Physiologischen Institut angegliedert ist und in den letzten beiden Jahrzehnten immer weiter wuchs und international hohe Anerkennung genießt.
Motivation
Ein Forschungsaustausch oder -aufenthalt wird nicht zum Medizinstudium angerechnet und ist im Curriculum nicht vorgesehen. Es empfiehlt sich vorab, dass man sich gut überlegt, welche Erwartungen man selbst hat und welche Anforderung man sich stellen muss, bevor man die Entscheidung für einen Forschungsaufenthalt trifft. Im Vordergrund steht das internationale akademische Netzwerk, welches durch junge AkademikerInnen in der Wissenschaft interkulturelle Brücken des Wissensaustausches und mögliche zukünftige Kooperationen anstrebt. Die Motivation sollte daher in erster Linie eine Akademische sein, die Reiselust und kulturelle Neugier sind immer wichtig, aber hier an zweiter Stelle. Meine Motivation war es, in einer gezielt ausgesuchten Arbeitsgruppe von herausragenden WissenschaftlerInnen weitere Techniken und Fertigkeiten zu lernen und mir anzueignen. Das MRC wird von Professor Seungkuy Cha und Professor Kysuang Park geleitet, beides Pioniere in ihrem Feld und bekannt als hervorragende Mentoren. Ich hatte im Jahr 2019 von Juli bis September, also insgesamt 3 Monate, die Gelegenheit im Lab mit dabei zu sein und von ihnen sowie den MitarbeiterInnen und StudentInnen zu lernen.
Bewerbung
Einen Forschungsaufenthalt in Eigeninitiative zu organisieren ist nicht einfach! Es bedarf äußerst akribischer Arbeit und kontinuierlicher Kommunikation einerseits, um mit den angeforderten Dokumenten klarzukommen, und andererseits die Fristenläufe einzuhalten. Ich ging proaktiv auf Professor Cha und Professor Park zu, indem ich ihnen ein E-Mail schrieb. Ich bin den beiden Herren noch heute dankbar, denn es ist nicht üblich, sich initiativ direkt an WissenschaftlerInnen zu wenden. Durch den Erstkontakt erfuhr ich auch von den offiziellen Anlaufstellen der Yonsei University, die mich als Träger dann in der Yonsei Medical School selbst aufnahmen. Hierfür musste ich neben obligatorischen Dokumenten wie dem „letter of recommendation“, „letter of good standing“ sowie dem „academic record“, auch amtliche Nachweise einreichen, die beispielsweise innereuropäisch nicht notwendig wären. Daher war eine Vorlaufzeit von 10 Monaten notwendig. Es ist ein sehr aufwändiger Prozess, der aber auch sehr viele Vorteile mit sich bringt. So wurde mir im Personal- bzw. StudentInnen-Wohnheim eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Weil ich offiziellen Studenten-Status erhielt, konnte ich mich bei allen Aktivitäten und Programmen der Yonsei University anmelden.
Ich empfehle dringend, dass man sich ein bereits bekanntes Arbeits-Forschungsfeld aussucht, sonst läuft man Gefahr schnell überfordert zu werden. Die Forschungsfelder der Arbeitsgruppe von Professor Park deckten sich mit meiner wissenschaftlichen Tätigkeit, zusätzlich zu dem offiziellen Bewerbungsprozedere erhielt ich Literaturlisten zum „Einlesen“ als Voraussetzung für diesen 3-monatigen Forschungsaufenthalt.
Zusätzlich musste ich Nachweise einreiche, um meine Laborfähigkeiten und -tätigkeiten zu belegen. Es wird anhand des akademischen Profils & Records von BewerberInnen vorab mit ihnen ihre Zusammenarbeit herausgearbeitet.
Tätigkeit und Arbeitsbedingungen
Durch den Kontakt und die Kommunikation vorab waren Ankunft und Abläufe für mich bereits klar. Ich wurde am ersten offiziellen Tag im Büro von Professor Cha empfangen. Einem sehr langen Willkommensgespräch folgte die Einweisung in den Arbeitsplatz und Zuweisung der Rolle. Somit war mein erster Arbeitstag bereits mit Aufgaben befüllt. Ich konnte meine KollegInnen und das Labor kennenlernen, um zeitnah die Arbeit aufzunehmen. Es wurde vorab im Labor schon erarbeitet, an welchen Projekten ich mitwirken soll. Daher erhielt ich Instruktionen und für die erste Woche wurde mein Zeitplan bereits vorgezeichnet.
Meine Tätigkeiten umfassten in 2 verschiedenen Projekten das „Genotyping“.
Gleichzeitig wurde ich aber eingebunden an weiteren Schritten des Projekts, wie dem Fluorescence Activated Cell Sorting (FACS) und Flow-Cytometry Calcium Flux. In diese beiden Techniken sollte ich über die nächsten Wochen hinweg hineingeführt werden. Das „animal lab“ durfte ich nicht betreten, da ich die hierfür nötige Ethik-Schulung und den „animal course“ vorab nicht belegen konnte.
Die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbestimmungen sind im europäischen Vergleich strenger und strikter. Neben den lab meetings und guest speakers (jeden Di & Do zur lunch break) musste man seine Arbeit selbst einteilen und es war selbstverständlich, dass diese je nach schedule auch ins Wochenende oder in die Nacht fiel.
Es herrschen für EuropäerInnen ungewohnt hierarchische Strukturen. Dies konnte ich auch am Arbeitsplatz vernehmen und äußerte sich in bemerkbar strengen Haltungen. Gleichzeitig erhält man vollen Rückhalt und Unterstützung als Jung-WissenschaftlerIn.
Freizeit
Ich hatte großes Glück, in einem so großartigen Team aufgenommen zu werden. Aus KollegInnen wurden FreundInnen und wir verbrachten auch außerhalb des Labors die meiste Zeit miteinander. Wonju ist an Seoul bestens angebunden, mit dem Korea Train Express (KTX) in 40 Minuten erreichbar. Somit konnte ich einzelne freie Tage oftmals für Besuche nach Seoul nutzen. Durch meine eigene Arbeitseinteilung ermöglichte ich mir jedes zweite Wochenende Fr-So freizuhalten, jedoch hatte ich auf Kosten dessen unter der Woche kaum Freizeit. Diese freien Wochenenden konnte ich daher auch dazu nutzen, schnell andere Städte zu besuchen. Südkorea ist flächenmäßig klein und es sind vergleichsweise kurze Strecken. Städtebesuche wie zum Beispiel eine Fahrt nach Busan, der zweitgrößten Stadt Südkoreas, kann ich wärmstens empfehlen! Aber auch an normalen Arbeitstagen wurden wir öfters von Professor Park gemeinsam zum Abendessen eingeladen. Der Campus war mit großem Sportangebot erweitert, so waren Fitnessräume, Basketballcourts und weitere Sportanlagen gratis zugänglich.
Kostentabelle
Flug (Hin- & Rückflug) | EUR 800 | |
Unterkunft | Wurde gestellt im Wohnheim des Campus | |
Transport (Zugtickets + ÖPNV) | EUR 100/Monat Zug: EUR 7-20; EUR ÖPNV 1-3 | |
Bewerbungskosten | EUR 150 | |
Essen & Trinken | EUR 100-200/Monat Häufig kostenlose Mahlzeiten in der Mensa für MitarbeiterInnen | |
Freizeitaktivitäten | EUR 100-200/Monat | |
Gesamt: | EUR 1.500/Monat |
Hintergrundinformationen
Obligatorisch sind Auslandskrankenversicherung, Immunität und Reiseimpfungen, sowie Hintergrundinformationen des jeweiligen Landes. Südkorea ist in den urbanen Regionen hochmodern und digitalisiert. Europäische und westliche Bezahlsysteme funktionieren einwandfrei. Die deutsche bzw. österreichische Botschaft ist ansässig in Seoul, ein Visum ist bei längeren Aufenthalten als 90 Tagen notwendig. Neben dem Auslandskrankenschutz sind Haftpflichtversicherungen wichtig, die auch bei Tätigkeiten im Ausland greifen.
Der Juli ist sehr verregnet, ich erinnere mich an Taifun-Warnungen und tagelang anhaltenden Regen. Hitze bei hoher Luftfeuchtigkeit kann vor allem auf Wanderungen anstrengend sein. In den Gebäuden wird fast jedes Zimmer und jeder Flur klimatisiert. Vegetarische und vegane Ernährung stellt kleine Herausforderungen in manchen Situationen dar. Die private Kommunikation erfolgt in Südkorea hauptsächlich über den Messenger Dienst Kakao-Talk. Die Kakao-Dienste sind umfassend breit, von Kartendiensten bis Medienstreaming. Eine Koreanische SIM-Karte ist schnell bei Ankunft am Flughafen erhältlich und das Mobilfunknetz ist hervorragend. Westliche Dienste und Anbieter sind oftmals nicht kompatibel.
Fazit
Ich war mir dessen bewusst, dass andere Praktika wie Famulaturen oftmals mehr Freizeit und Reisemöglichkeiten mit sich bringen als ein Forschungsaufenthalt. Daher waren die Herausforderungen und Erfahrungen für mich durchweg positiv. Ich empfehle, sich vorab damit auseinanderzusetzen, welchen persönlichen Mehrwert ein Forschungsaustausch mit sich bringt. Es war für mich eine fantastische Gelegenheit, von großartigen WissenschaftlerInnen zu lernen. Jede Prägung lässt einen weiter reifen in ihrer/seiner Professionalität, hierin danke ich Professor Park und Professor Cha bis heute.
Interessante Webseiten
Kontakt
Bei Fragen zu Burak Caliskans Famulatur, oder bei Fragen an Burak Caliskan persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein E-Mail an: media@goinginternational.org
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung:
Caliskan, Burak: Mein 3-monatiger Forschungsaufenthalt als „visiting scholar “ an der Yonsei University / Mitohormesis Research Center (MRC) (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 12/2024, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2024)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 12/2024 (Deutsche Ausgabe).
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