von Alexandra Radler.
Im dritten Studienjahr habe ich gemeinsam mit einer Freundin beschlossen eine Famulatur im Ausland zu absolvieren. Wir wollten unbedingt ein völlig anderes Gesundheitssystem kennenlernen. Dabei ging es uns nicht so sehr um die Aneignung von fachlichem Wissen, sondern vielmehr darum, das alltägliche Leben in einem fremden Land auf eine besondere Art und Weise kennenzulernen. Nachdem wir hunderte Erfahrungsberichte aus der ganzen Welt von anderen Studierenden unserer Uni gelesen haben, war für uns klar: Wir möchten auf die Seychellen. Die Seychellen sind eine Gruppe aus 115 Inseln im indischen Ozean, die erst 1976 ihre Unabhängigkeit erlangten und heute vor allem für ihre wunderschönen Strände und Landschaften bekannt sind. Wir wollten einen Einblick in das gesellschaftliche System hinter den Luxusresorts und High-End-Hotels bekommen und die Menschen dieses beliebten Inselstaats so kennenlernen, wie es als Tourist nur schwer möglich ist.
Bewerbung und Planung
Mit der Planung unserer Auslandsfamulatur haben wir Ende Oktober 2018 begonnen. In den Erfahrungsberichten der letzten Jahre haben wir die E-Mail-Adresse des Zuständigen auf den Seychellen, Herrn Majid Annette, gefunden und ihm eine formlose Bewerbung (kurzes Bewerbungsschreiben in der Mail, als Anhang Lebenslauf und Supporting Letter von der Med Uni Graz) gesendet. Etwa eine Woche später haben wir bereits eine schriftliche Zusage sowie das ausgefüllte Learning Agreement von ihm zurück bekommen. Er hat uns auch gleich eine Liste mit möglichen Unterkünften (wobei fast alle direkt am Meer lagen) gesendet, von der wir uns einfach einen Gastgeber ausgesucht und kontaktiert haben. Insgesamt war der Bewerbungsprozess sehr einfach und unkompliziert.
Die Krankenversicherung
Am ersten Tag unserer Famulatur mussten wir bei Herrn Annette gegen eine Gebühr von EUR 350 eine Krankenversicherung abschließen. Man erhält dafür vom Gesundheitsministerium der Seychellen ein sogenanntes GOP (Gainful Occupation Permit), auch Residence Letter genannt, über das man wie ein Einheimischer krankenversichert ist und außerdem auch keine Tourismustaxen mehr zahlen muss. Letzteres erspart einem sehr viel Geld: Zum Beispiel kann man die Fähren auf die anderen Inseln um EUR 40 statt um EUR 140 buchen, und zahlt bei geführten Touren auf anderen Inseln statt EUR 100 nur EUR 40. Manche Eintritte sind dadurch ebenfalls komplett gratis. Eine Haftpflichtversicherung wurde für uns nicht organisiert, wir hatten lediglich eine einfache Reiseversicherung über unsere Kreditkartenfirma in Österreich sowie das GOP von den Seychellen.
Der Tagesablauf meiner Famulatur
Jeder Tag hat mit einer Morgenbesprechung um 8 Uhr begonnen. Diese hat zwischen 15 Minuten bis 75 Minuten gedauert. Danach gingen wirmit den ÄrztInnen zur Visite auf die Stationen – zuerst auf die Male Medical Ward und dann auf die Female Medical Ward. Die Visite dauerte meistens bis ca. 12 Uhr. Die „Lehre“ fand im Rahmen der Visiten statt, jedoch nur sehr begrenzt. Innerhalb des Teams wurde insgesamt nur sehr wenig besprochen und diskutiert. Nach der Visite durften wir die ÄrztInnen bei ihren Tätigkeiten begleiten und ihnen auch viele Fragen stellen. Wir haben die meiste Zeit mit einem Neurologen verbracht, der uns in die Basics der Neurologie einführte. Die Arbeitssprache war Englisch, wodurch die Kommunikation für uns sehr einfach war. Bestimmte Arbeitszeiten gab es eigentlich nicht, wir konnten kommen und gehen, wann wir wollten. In den ersten paar Tagen waren wir 5 internationale FamulantInnen auf der Station. Nach ein paar Tagen kamen einheimische Studierende dazu, weshalb wir an Spitzentagen bis zu 11 FamulantInnen waren. Die einheimischen Studierenden kennenzulernen war sehr interessant. Da es auf den Seychellen kein Medizinstudium gibt und sich auch kein/e Einheimische/r ein Medizinstudium im Ausland leisten könnte, bekommen die besten 3-4 SchulabsolventInnen der Insel jedes Jahr ein Stipendium, um an einer europäischen Privatuniversität studieren zu können. Damit verpflichten sich die Studierenden auch gleichzeitig später einige Jahre auf den Seychellen als ÄrztIn tätig zu sein. Da es für sie aber eine gute Möglichkeit ist, um sich im Ausland ein besseres Leben aufzubauen, verlassen die meisten einheimischen ÄrztInnen nach Ablauf dieser Frist die Seychellen wieder. Aus diesem Grund sind fast ausschließlich kubanische ÄrztInnen im Krankenhaus tätig. Die Einheimischen haben uns erklärt, dass der Staat Kuba bei den Gehältern der ÄrztInnen im Ausland mitschneidet und deshalb jedes Jahr tausende ÄrztInnen in vielen Ländern der Welt positioniert (laut einem Zeitungsbericht der BBC waren 2019 ca. 30.000 kubanische ÄrztInnen in 67 verschiedenen Ländern tätig).
Das Victoria Hospital
Mahe ist die Hauptinsel der Seychellen und beheimatet ca. 70.000 EinwohnerInnen. Das Victoria Hospital ist das größte öffentliche Krankenhaus der Seychellen und im Vergleich zu den österreichischen Krankenhäusern trotzdem sehr klein. Es besteht aus ca. 5 Abteilungen mit jeweils 5-10 ÄrztInnen. Die Standards im Krankenhaus sind weit weg von unseren. Es gibt keine PatientInnenzimmer, sondern nur Vorhänge. Pro Station gibt es meistens nur 2 Desinfektionsmittelspender. Computer und Drucker sind nicht vorhanden, es wird alles auf Papier dokumentiert. Sogar die Laborwerte und Röntgenbefunde werden per Hand geschrieben. Für die meisten Laborwerte muss das Blut nach Sri Lanka oder Indien gesendet werden – Wartezeiten von 2 Wochen sind dabei Normalität. Im Victoria Hospital gibt es auch nur ein Röntgen- und ein CT-Gerät, ein Ultraschallgerät gibt es nicht. Die Ressourcen sind insgesamt sehr begrenzt, aber trotzdem funktioniert das System ganz gut. Sie haben sich viele Hilfsmittel zurechtgelegt. Beispielsweise muss jede Frau, die ein Kind im Krankenhaus gebärt, dafür sorgen, dass ein/e Angehörige/r Blut an das Krankenhaus spendet. Dadurch mangelt es auf der Insel nie an Blutkonserven. Und sobald ein/e PatientIn mehr als die gewöhnlichen diagnostischen Mitteln oder Therapien benötigt, wird diese/r nach Indien in spezielle Kliniken ausgeflogen. Soziale Unterschiede gab es zwischen den PatientInnen eigentlich kaum, da jede/r BewohnerIn mit einem GOP automatisch Zugang zum Gesundheitssystem hat und das Gesundheitssystem im Wesentlichen aus diesem einen Krankenhaus besteht. Unter den PatientInnen waren deshalb von LandwirtInnen bis TopmanagerInnen und UrlauberInnen alle sozialen Schichten vertreten.
Freizeit – Sonne und Pazifik
Die meiste unserer freien Zeit haben wir auf den schönsten Stränden der Insel verbracht. Das Öffi-System auf Mahe ist sehr gut ausgebaut – man kommt mit dem Bus für 50 Cent in jede Ecke der Insel. Da ausnahmslos alle Strände öffentlich sind, kommt man auch legal überall hin. Und so kam es, dass wir unsere freien Nachmittage an den atemberaubend schönen Stränden der 5-Sterne-Hotels, wie beispielsweise dem Four Seasons Hotel auf Mahe, verbracht haben. Abends haben wir uns meistens Essen von den lokalen Märkten der Einheimischen geholt und gemeinsam mit unseren GastgeberInnen den Sonnenuntergang am Strand genossen. An den Wochenenden haben wir unser GOP genutzt und sind mit den Fähren auf benachbarte Inseln gefahren. Dort haben wir beispielsweise Schildkröten gestreichelt, Rafting Tours gemacht, Zimtrinden geerntet, Fische gefangen, kleine Berge bestiegen und mit dem Schnorchel die Unterwasserwelt entdeckt. Ein Erlebnis, das ich wohl nie vergessen werde.
Kostentabelle
Hin- und Rückflug | EUR 550 |
Gebühr | EUR 350 |
Unterkunft (25€ pro Nacht und Person) | EUR 700 |
Transport | EUR 200 |
Essen und Trinken | EUR 200 |
Freizeitaktivitäten | EUR 400 |
Gesamt für 4 Wochen | EUR 2400 |
Interessante & wichtige Links
http://www.ics.gov.sc/permits/gainful-occupation-permit
Die offizielle Website der Einwanderungsbehörde der Seychellen mit Informationen über die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit (GOP, Gainful Occupation Permit)
http://www.health.gov.sc/
Das Gesundheitsministerium veröffentlicht auf dieser Website wichtige Neuigkeiten rund um die Gesundheitsversorgung der Seychellen.
https://www.seychelles.com/home
Die Tourismusseite der Seychellen mit zahlreichen Tipps für eine einzigartige Zeit auf dem Inselstaat.
http://www.natureseychelles.org/
Nature Seychelles ist die führende Umweltorganisation im westlichen Indischen Ozean mit spannenden Projekten zum Naturschutz.
Kontaktdaten Victoria Hospital:
MINISTRY OF HEALTH
Human Resources Development Section
P.O. Box 52, Victoria Hospital, Mahé, Republic of Seychelles
Seychelles Telephone:(+248) 4388024 Fax:(+248) 4224792
Email address: medicalelectives@health.gov.sc
Bei Fragen zu Alexandra Radlers Famulatur, oder bei Fragen an Alexandra Radler persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein E-Mail an: media@goinginternational.org
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung:
Radler, Alexandra: Auslandfamulatur Seychellen Victoria Hospital, Mahe Innere Medizin (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 00/23, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2023)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 00/2023 (Deutsche Ausgabe).
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