von Paula Knechtl.
Bereits vor meinem Studium wusste ich, dass egal, was ich studiere, ich einen Teil davon im Ausland machen möchte. Ich liebe es, in fremde Städte und deren Kultur einzutauchen, und mich auf einer Fremdsprache zu unterhalten. Gleichzeitig war es mir aber wichtig, bei meinem Auslandsaufenthalt medizinisch viel zu lernen. Deshalb bot das Erasmusprogramm mit dem Karolinska Institutet in Stockholm eine ideale Möglichkeit, meine Wünsche zu vereinen – ein hoch gelobtes Ausbildungssystem, ein definitiv vorhandener Kulturunterschied und noch dazu englischsprachig.
Bewerbung und Anmeldung
Das Wichtigste bei der Bewerbung ist, sich rechtzeitig in dem vorgegebenen Anmeldezeitfenster zu bewerben (Fristenlauf im Mobilitätskalender). Man bekommt bereits vorab eine E-Mail vom International Office der Medizinische Universität Wien (MUW) mit allen Infos zu den Möglichkeiten im 5. Jahr ins Ausland zu gehen. Die Anmeldung für Erasmus erfolgt über eine eigene Plattform namens Mobility Online, über die der gesamte Bewerbungsprozess läuft. Dieser ist in mehrere Schritte unterteilt und man muss jeden Schritt erledigen, bevor man weitermachen kann. Hier werden auch alle geforderten Dokumente hochgeladen. Wenn man etwas nicht versteht, nicht weiterkommt, oder bei sonstigen Fragen kann man sich jederzeit an das International Office der MUW wenden.
Für die Fächerauswahl gibt es am Karolinska Institutet einen eigenen Plan für AustauschstudentInnen, der zeigt in welchen Monaten welche Fächer möglich sind (Time table for clinical rotations). Nicht alle Fächerkombination sind in jedem Semester möglich, deshalb wird der Austausch nach Stockholm grundsätzlich als nicht zugkonform gerechnet, das heißt, man muss das andere Semester des 5. Jahres auch im Ausland absolvieren, um alle geforderten Fächer des 5. Jahres zu erledigen.
Rotationen und Alltag
Während den drei Monaten rotierte ich durch drei verschiedene Fächer, in meinem Fall Pädiatrie, Gynäkologie und Innere Medizin. Der Alltag war je nach Abteilung unterschiedlich, überall ganz individuell organisiert. In der Pädiatrie waren wir 4 ErasmusstudentInnen und hatten einen Assistenzarzt als Mentor, der wirklich versuchte, das Beste für uns herauszuholen. Er hatte für jeden von uns einen Plan erstellt, in dem er/sie vormittags und nachmittags durch verschiedene pädiatrische Abteilungen rotierte. Ab und zu hatten wir einen gemeinsamen Halbtag, an dem er bestimmte Themen mit uns durchnahm und einmal pro Woche hatten wir ein Seminar mit einer/m OberärztIn, für das wir Fälle ausarbeiten mussten, zu denen wir dann gefragt wurden. Die Betreuung war toll! Nicht nur medizinisch versuchte man uns viel zu lehren, auch kulturell. Sie zeigten uns wie man Fika macht, die typische schwedische Kaffeepause und verwöhnten uns neben Kaffee und Tee mit Zimtschnecken, Knäckebrot mit Käse oder traditionelle Mehlspeisen. Bei dieserfand dann reger Austausch über unsere verschiedenen Heimatländer und deren Unterschiede statt. Eine Hierarchie zwischen OberärztInnen, AssistenzärztInnen und Studierenden war nicht spürbar. Es waren alle per du und ich empfand den Umgang aller sehr wohlwollend, und unaufgeregt wertschätzend J.
Der Tag startete meistens um 8 Uhr morgens und dauerte maximal bis 16 Uhr. Etwa zwei Nachmittage waren für Selbststudium zur Vorbereitung für das wöchentliche Seminar freigehalten.
In der Gynäkologie hatte ich abgesehen vom ersten Einführungstag keinen Kontakt mit meinen AustauschkollegInnen. Auch hier hatte jede/r StudentIn einen eigenen Stundenplan und wir rotierten innerhalb der Rotation durch alle möglichen gynäkologischen, über die ganze Stadt verteilte Einrichtungen des Karolinska Institutets. Manchmal fand ich es schade, dass man an jedem Standort nicht länger als einen Tag war, man wurde wirklich immer sehr herzlich aufgenommen und hatte immer eine 1:1 Betreuung.
Bei meiner letzten Rotation in Innerer Medizin war ich die einzige Austauschstudentin. Ich rotierte wöchentlich, und wurde jede Woche einer/m bestimmten AssistenzärztIn zugeteilt. Auch hier kann ich nur wiederholen, dass mir alle sehr wohlwollend begegneten. Auf den meisten Stationen gibt es vormittags eine Fika. Häufig frühstückt das Pflegeteam gemeinsam, und grundsätzlich gibt es auf jeder Station eine riesige Dose mit Knäckebrot und einen Klotz Käse.
Auf allen Stationen ging es stets darum, dass ich lernen, beobachten und Erfahrungen sammleln konnte. Ich hatte keine Pflichten oder Aufgaben zu erfüllen, ich durfte aber trotzdem den PatientInnen auch selbst Fragen stellen, oder sie untersuchen.
Zur Sprache möchte ich noch erzählen, dass bei der Bewerbung nur Englisch gefordert wird. Fast alle sprechen sehr gut Englisch und sind es gewohnt, für AustauschstudentInnen zu übersetzen. Manchmal wurde das Gespräch sogar für mich auf Englisch durchgeführt. Dennoch muss ich sagen, dass man mit Sicherheit noch mehr lernt, wenn man auch Schwedisch versteht.
Gemeinschaftsleben und Ausflüge
Nach der Platz- und Fächerzusage bekam ich von der zuständigen Dame des International Office in Stockholm eine Mail mit Bewerbungslinks für die internationalen Studierendenheime des Karolinska Instituts (kihousing). Es gibt verschiedene Häuser an verschiedenen Standorten mit unterschiedlichem Angebot (Größe, Ausstattung, Preis). Wichtig war für mich v.a. die Lage und Verbindung zu den Krankenhäusern (unterschiedlich je nach Rotation, Standorte bekommt man mit Fächerzusage).
Egal, für welches Wohnheim man sich entscheidet, findet man sehr schnell Kontakte. Die Stimmung unter den AustauschstudentInnen ist meist heiter und unternehmungslustig. Nicht nur gemeinsame Abendessen in der Gemeinschaftsküche, sondern auch gemeinsame Ausflüge an den Wochenenden gehören da zur Gewohnheit (Wanderungen in Nationalparks, Picknicks am Wasser, Städteausflüge, Ausflüge in den Norden …).
Meistens hört man durch die große Erasmusgemeinschaft schnell von allen möglichen Veranstaltungen inkl. Ausflügen. Auch die offizielle Erasmusorganisation namens „ESN Stockholm“ organisiert viele Treffen (Spieleabend, Inselumrundung mit dem Rad, …), die ideal sind, um Gleichgesinnte kennenzulernen. Am besten folgt man dazu deren Seite oder der aktuellen Erasmus-Austauschgruppe auf den sozialen Medien. Zusätzlich gibt es Veranstaltungen von der Studentenunion, so ähnlich wie es in Wien die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) anbietet; zum Beispiel einen Freitags-Stammtisch, bei dem man auch schwedische Studierende kennenlernen kann.
Versicherung
Versichern musste ich mich nicht zusätzlich. Ich war genauso versichert wie bei Famulaturen innerhalb Österreichs; krankenversichert über meine österreichische Krankenkasse (europäisches Ausland), haftpflicht- und unfallversichert über die ÖH der MUW.
Kostentabelle
Flug (Wien-Stockholm, Stockholm-Wien, unter der Woche) | EUR 230 |
Unterkunft (Studierendenheim) | EUR 270/Monat |
Essen (selbst kochen) und Trinken: | EUR 400/Monat |
Transport (öffentliche Verkehrsmittel): | EUR 60/Monat |
Freizeitaktivitäten (Eintritte, Ausflüge): | EUR 300/Monat – sehr individuell |
Gesamt: | Ca. EUR 1050/Monat |
Wichtige Webseiten:
Karolinska Institutet – die medizinische Universität
Universität Stockholm – Universität für nicht-medizinische Studiengänge
ESN Stockholm – die offizielle Erasmusorganisation, mit Links zu ihren „Social-media-Kanälen“
Medicinska Föreningen – StudentInnennation/-verbindung, wie die ÖH für Medizinstudierende am Karolinska Institut.
Mecenat – Seite für schwedischen StudentInnenausweis (braucht man z.B. als Ausweis für einen StudentInnenrabatt bei den öffentlichen Verkehrsmitteln), ähnlich zur International Student Identity Card (ISIC).
Erasmusgruppe des jeweiligen Jahres auf sozialen Medien (Facebook/Instagram)
Kihousing – Studierendenwohnheime für AuslandsstudentInnen
SL – Storstockholms Lokaltrafik – Stockholms öffentlicher Verkehrsverbund
Visit-Stockholm – die offizielle Website von Stockholms Touristeninformation
Royal Djurgården Visitor Center – physische Touristeninformation mit aktuellen Flyern für Ausstellungen, Veranstaltungen, frei verfügbare Stadtkarten mit Rundtourempfehlungen
Fotografiska – das moderne Fotografiemuseum
Vasa Museet – das Vasa Museum
Kontakt
Bei Fragen zu Paula Knechtls Famulatur, oder bei Fragen an Paula Knechtl persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein E-Mail an: media@goinginternational.org
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung:
Knechtl, Paula: Erasmussemester in Stockholm (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 00/23, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2023)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 00/2023 (Deutsche Ausgabe).
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