von Marie-Luise Drax
Meine Motivation
In meinem Elternhaus wurde schon immer sehr viel Wert auf Erfahrungen im Ausland mit anderen Kulturen gelegt, deswegen durfte ich in meinem Leben bereits zahlreiche Auslandsaufenthalte erleben.
Im Alter von zwei Jahren sind wir damals für zwei Jahre in die USA gezogen. Danach folgten regelmäßige Auslandserfahrungen im Rahmen eines Schüleraustausches, Freiwilligenarbeit, Auslandsfamulaturen und Reisen. Mit Beginn des Studiums habe ich immer davon geträumt, mein Klinisch-Praktisches Jahr auf der ganzen Welt zu verbringen. Leider kam dann eine globale Pandemie mit Grenzschließungen und vor allem Ausschluss ausländischer Studierender von Kliniken. Um diese Zeit dennoch zu nutzen habe ich mich im Rahmen meines Internistischen Tertials für ein Aufenthalt in München entschieden. Deutschland ist sehr interessant für mein späteren Berufsweg und deswegen war es naheliegend, dort auch persönliche Erfahrungen zu sammeln.
Bewerbung
Durch regen Kontakt mit deutschen Studierenden kamen Unterschiede zwischen den Systemen schon häufig zu Sprache, so war mir bewusst, dass in Deutschland einige Dinge anders ablaufen. In meiner Erfahrung wurde dies durchaus bestätigt. Die Einbindung in den klinischen Alltag, die fixierten Aufgaben und die teilweise fehlende Lehre fiel schnell auf.
Ich habe mich damals für das Deutsche Herzzentrum in München entscheiden, weil ich schon immer ein großes Interesse an der Kardiologie hatte. Dieses komplexe Feld hat mich ziemlich in den Bann gezogen. Das Deutsche Herzzentrum ist ein renommiertes Haus der Technischen Universität München mit insgesamt 171 Betten, dass sich seit über 40 Jahren der Kardiologie verschrieben hat. Eine interdisziplinäre Herangehensweise wird hier gepflegt mit Interventioneller Kardiologie, Rhythmologie / Elekrophysiologie, Herzchirurgie und Kinderkardiologie. Entsprechend viele SpezialistInnen mit Spezialambulanzen sind ansässig. Das Klinikum stellte sich als technisch sehr gut ausgestattet dar.
Meine Bewerbung am Deutschen Herzzentrum in München gestaltete sich äußerst unkompliziert, da ich keine deutsche Studierende bin. Deutsche Studierenden müssen sich über ein zentrales Portal anmelden und erfahren erst kurzfristig in welchem Haus sie Ihr KPJ absolvieren können. Zudem ist der Bürokratische Aufwand um einiges umfangreicher. In meinem Fall lief alles sehr unbürokratisch. Mit einer E-Mail an die Chefarztsekretärin wurde mein Platz bestätigt und weitere Formulare, welche ich für die Bestätigung meines Aufenthalts als „Freemoverin“ für meine Heimatuni, die Medizinische Universität Wien benötigt habe, wurden unkompliziert am ersten Arbeitstag unterzeichnet. Eine Anmeldung zum Erasmus+ Praktikum wäre an sich auch möglich gewesen und definitiv empfehlenswert, aber in meinem individuellen Fall war dies aus anderweitigen Gründen nicht möglich.
Am Deutschen Herzzentrum in München
An deutschen Kliniken sind PJ-StudentInnen fest in das Team eingeplant und erhalten fixe Aufgaben. So begann mein Arbeitstag um 7:00 Uhr mit den Blutabnahmen auf der Station. Dies stellte für mich eine großartige Übungsmöglichkeit dar und hat mir im weiteren Verlauf einen sicheren und routinierten Umgang ermöglicht. Ab 8:00 Uhr kamen die ersten Patienten-Aufnahmen des Tages, jede Station bekommt täglich circa 8-12 neue Patienten. Ich war auf einer gemischten Station mit sowohl kardiologischen als auch elektophysiologischen PatientInnen zugeteilt. Dies bedeutete viele Elektivaufnahmen mit Anamnese, klinischer Untersuchung, sowie einer Blutabnahme mit Legen einer Venenverweilkanüle.
Danach habe ich alle Daten in das KIS/PC-System eingetragen, anschließend die PatientInnenkurve geschrieben und ein EKG befundet. Am Ende habe ich alles mit den zuständigen AssistenzärztInnen besprochen. In weiterer Folge fand die tägliche Visite statt, dies erfolgte aufgeteilt in beide Fachgebiete. Die kardiologische Visite fiel meist kurz aus, deswegen verbrachte ich die meiste Zeit bei der Elektrophysiologie Visite. Diese war sehr spannend, mit vielen Erklärungen und genug Zeit für Fragen. Die OberärztInnen nahmen sich hierfür reichlich Zeit und besprachen jeden PatientIn gemeinsam mit uns. Im Laufe der Zeit hatte ich die Möglichkeit den Nachmittag im Herz Echo, Katheter-Labor oder im EPU-Labor zu verbringen. In den einzelnen Funktionen / Ambulanzen war man PJ-Studentin nur als ZuschauerIn eingeplant, was einem die nötige Ruhe gab sich mit den neuen Eindrücken und Herausforderungen tiefgreifend zu befassen. Die Anzahl der täglich gesehen ambulanten PatientInnen variiert sehr zwischen den einzelnen Funktionen und je nach Eigenengagement. Das Arbeitsende war flexibel, je nachdem wie lange ich in den einzelnen Funktionen war (ca. 14:00-16:00).
Das Kollektiv der PatientInnen ist bekanntlich in der Kardiologie tendenziell älter. Auch hier hat man die „typischen“ kardiologischen PatientIn vorgefunden. Jedoch war durch den hohen Anteil an rhythmologischen Fällen eine erhöhte Zahl an junger (teils sehr junger) PatientInnen anzutreffen. Selten waren auch „Alumni“, PatientInnen der Kinderkardiologie anzutreffen, welche beispielsweise für einen Aggregatswechsel des Herzschrittmachers kamen. Meine Station war die Privatstation, daher waren dort fast nur PatientInnen mit der in Deutschland unter „Besserverdiener“ üblichen Privatversicherung anzutreffen. Die hohe Korrelation mit hohem Bildungsstand war hierbei unübersehbar. Fast täglich waren ärztliche KollegInnen im PatientInnen Kollektiv anzutreffen.
Im Rahmen des PJs gab es einige, eigens dafür eingerichtete Veranstaltungen. Diese fanden jeden Dienstag in zwei Einheiten (13:00-15:00 Uhr), in Form von gezieltem PJ-Unterreicht statt. Dies geschah in alle internistischen Fachbereiche und Thematiken und wechselte dementsprechend wochenweise zwischen den Fächern. Stattgefunden hat diese Lehrveranstaltung auf dem Gelände der Klinik Rechts der Isar, dem Hauptgebäude der Universitätsklinik der Technischen Universität München (TUM). Qualitativ handelte es sich um äußerst gute Zusammenfassung der einzelnen Krankheitsbilder.
Zusätzlich gibt es an der TUM eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 400€/Monat, welche jedoch erst nach dem Absolvieren des gesamten Zeitraums und nach einreichen eine Bestätigung ausgezahlt wurde.
Im Rahmen der Arbeit wurde eine Versicherung zur Verfügung gestellt, das gleiche gilt für die Sozialversicherung. Eine berufliche Haftpflichtversicherung musste von Seiten der Studierenden vorgewiesen werden. Die Haftpflichtversicherung, welche jeder Studierender von der ÖH zur Verfügung gestellt bekommt war hier jedoch völlig ausreichend.
Freizeit und Leben in München
München selbst ist eine großartige Stadt, geographisch ist sie quasi nicht zu überbieten mit ihren zahlreichen wunderschönen Seen. In 1,5 Stunden ist man in den Alpen und an einen Tag mit dem Wetterphänomen “Föhn” sind die Berge von der ganzen Stadt aus sichtbar. Besonders zu empfehlen ist ein Ausflug zum Eibsee, dieser wird auch die bayrische Karibik genannt, da er mit seinem kristallklaren Wasser überzeugen kann. Man findet ihn am Fuße der Zugspitze, nahe Garmisch-Partenkirchen. München selbst überzeugt mit den vielen kleinen grünen Oasen und dem einzigartigen Englischen Garten, der die größte Parkanlage innerhalb einer Stadt weltweit ist (ja, sogar größer als der Central Park in NYC). An zahlreichen kulturellen Angeboten fehlt es auch nicht. Für Studierende gibt es in vielen Viertel nette Cafés und Bars, meine Lieblingsviertel waren die Maxvorstadt, Schwabing und das Glockbachviertel.
Leider ist München (wie viele deutsche Großstädte) nicht gerade preiswert. WG-Zimmer liegen häufig zwischen EUR 500 bis EUR 700 pro Monat und sind auch schwierig zu finden. Manchmal hat man aber Glück und findet eine gute Option. Ansonsten sind die Lebenshaltungskosten relativ vergleichbar mit jenen in Wien. Einige Dinge sind ein wenig teurer, einige günstiger. Tendenziell sind Wohnraum und öffentliche Verkehrsmittel um ca. 30% teurer, Lebensmittel und Drogerieprodukte im Gegenzug aber um ca. 30% günstiger.
Kosten und Aufenthalt
Wohnung | EUR 500-700 |
Ab- und Anreise von Wien | Ca EUR 50/Fahrt |
MVV Ticket | EUR 50/Monat |
Lebenshaltungskosten | EUR 400/Monat |
Aufwandsentschädigung | EUR +400/Monat |
Gesamt | EUR ca. 1200/Monat |
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Wichtige Webseiten
Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (äquivalent zur AMSA in Österreich):
Marburger Bund (Ärztebund und Ärztegewerkschaft)
Tourismus (Tipps für Ausflugsziele in Bayern)
Kontakt
Bei Fragen zu Marie-Luise Drax‘ Famulatur, oder bei Fragen an Marie-Luise Drax persönlich, schreiben Sie ein E-Mail an: marieluisedrax@outlook.com
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung
Drax, Marie-Luise: Erfahrungsbericht München (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 11/22, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2022)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 11/2022 (Deutsche Ausgabe).
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