Von Christian Wagner-Ahlfs, BUKO Pharma-Kampagne.
Wie kann eine Hochschule dafür sorgen, dass ihre Forschung den größtmöglichen Nutzen für die Gesellschaft hat? Universitäten leisten mit ihrer Grundlagenforschung einen wesentlichen Beitrag zur globalen Gesundheitsversorgung. Aber die Produkte in Form von Impfstoffen und Medikamenten müssen bezahlbar sein. Die BUKO Pharma-Kampagne will mit Podiumsdiskussionen und Seminaren die Diskussion an den Hochschulen anregen. Für das zweijährige Schwerpunktprojekt wurde das Bundesland Nordrhein-Westfalen ausgewählt – mit rund 40 öffentlichen Hochschulen ein Schwergewicht in der deutschen Forschungslandschaft.
Die meisten Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika haben ihren Ursprung in öffentlich finanzierter Forschung. Dabei spielen auch Patente eine wichtige Rolle. In der akademischen Welt genügt es heutzutage nicht mehr, seine Ergebnisse in Fachzeitschriften zu publizieren. Damit Firmen die Forschung aufgreifen und zu marktfähigen Produkten weiterentwickeln, patentieren Universitäten üblicherweise viele Forschungsresultate. Aber diese Logik bringt auch Probleme mit sich: Patentrechte sind exklusive Vermarktungsrechte. Die Folge: Öffentlich finanzierte Erfindungen werden schlussendlich teuer verkauft, und das schließt einen Großteil der Weltbevölkerung vom Nutzen aus.
Neue Lizenzmodelle
Um die Innovationen auch in ärmeren Ländern verfügbar zu machen, haben WissenschaftlerInnen das Konzept Equitable Licensing entwickelt. Diese „sozialverträgliche Lizenzierung“ hat ein klares Ziel: Öffentlich finanzierte Erfindungen sollen so genutzt werden, dass sie den größtmöglichen gesellschaftlichen Nutzen bringen. Die konkrete Umsetzung kann individuell ganz unterschiedlich aussehen: vom Verzicht auf Patentierung über nicht-exklusive Lizenzen bis hin zur gezielten Produktentwicklung für vernachlässigte Krankheiten.
Hochschulverwaltung sensibilisieren
Das Projekt „Innovation und Verantwortung“ möchte öffentliche Forschungseinrichtungen für ihre gesellschaftliche Verantwortung im globalen Kontext sensibilisieren. Forschende und MitarbeiterInnen aus Patentverwertung und Technologietransfer möchten wir ermutigen, das Potenzial ihrer Erfindungen für Länder des globalen Südens zu ermitteln und Maßnahmen zu ergreifen, die Nutzbarkeit dieser Innovationen für ärmere Länder zu erhöhen.
Dazu bietet die BUKO Pharma-Kampagne an ausgewählten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen beratende Inhouse-Seminare für Patentverwertungsagenturen an. An mehreren Hochschulen wurden im April und Mai 2017 öffentliche Podiumsdiskussionen organisiert. Mit dabei waren WissenschaftlerInnen der jeweiligen Einrichtung und örtliche Studierendengruppen.
Werkzeugkasten steht bereit
Den Patentverwertungsagenturen stellt das Projekt einen ganzen Werkzeugkasten bereit. So wurden Vertragsbausteine für Equitable Licensing entwickelt, die den JuristInnen bei der Vertragsgestaltung mit Pharmaunternehmen zur Verfügung stehen. Beispiele und Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen, wie unterschiedlich die Umsetzung funktionieren kann. Im individuellen Gespräch kann bei der Umsetzung beraten werden.
Dabei baut die Pharma-Kampagne auf die Erfahrungen mit dem Projekt med4all auf. Unter dem Logo med4all startete 2008 die Zusammenarbeit mit dem Mediziner Dr. Peter Tinnemann (Charité Berlin) und der Juristin Prof. Christine Godt (Universität Oldenburg). Med4all machte das Konzept Equitable Licensing in Deutschland zum Thema. Aktiv unterstützt wurde auch die Gründung von Universities Allied for Essential Medicines UAEM Germany, einem Netzwerk von Studierenden, die sich an ihren Universitäten dafür einsetzten, Equitable Licensing in den Statuten zu verankern. UAEM ist inzwischen in vielen deutschen Hochschulen aktiv und nach Dänemark, Niederlande, Schweden, UK und anderen europäischen Ländern expandiert.
Weitere Aktivitäten sind in Vorbereitung. Im Sommer 2017 wird eine überarbeitete Fassung der Equitable-Licensing-Lizenzbausteine erscheinen. Sie greift die jüngsten Entwicklungen in der deutschen Patentverwertung auf. Anfang 2018 wird eine neue Handreichung für Hochschulverwaltungen herausgebracht. Sie wird den Werkzeugkasten praxisnah erläutern und die Erfahrungen aus den bis dahin durchgeführten Seminaren aufgreifen.
Weitere Infos finden sie hier.
Kontakt zum Projektkoordinator: Christian Wagner-Ahlfs
Das Projekt „Innovation und Verantwortung: Sozialverträgliche Patentverwertung in Nordrhein-Westfalen“ wird finanziert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht in GI-Mail 06/2017 (Deutsche Ausgabe). Abonnieren Sie GI-Mail hier.
Tipp: Aktuelle Weiterbildungsangebote zum Thema Medizin und Gesundheit finden Sie laufend online in der Bildungsdatenbank »medicine & health«.