von Michael Reisinger
Motivation
Im fünften Studienjahr habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt in Frankreich entschieden, da mich das Land, seine Sprache und Kultur faszinieren. Die Wahl fiel auf zwei Erasmus-Studiensemester in Lyon. Wer Erasmus in Frankreich machen möchte, dem kann ich die Stadt an der Rhône sehr ans Herz legen. Sie befindet sich nicht nur geographisch bzw. klimatisch, sondern auch mentalitätsmäßig in der Mitte zwischen dem heißen Süden um Marseille und dem kühlen Norden des Hexagons. Lyon ist nach Paris und Marseille die drittgrößte Stadt Frankreichs und überzeugt sowohl durch französisches Flair als auch durch sehr gute Universitäten. Die naturwissenschaftlich orientierte Université Claude Bernard Lyon I besitzt zwei medizinische Fakultäten (Lyon-Sud bzw. -Est) und ist mit dreizehn Lehrkrankenhäusern (Centre hospitalier universitaire – CHU) im gesamten Großraum Lyon assoziiert, die einen sehr guten Ruf genießen. Ich habe mich für die Faculté Lyon-Sud Charles Merieux entschieden, da hier kontinuierlich am Vormittag Praktika in einem der vielen CHUs angeboten werden und am Nachmittag Vorlesungen des 4. und 5. französischen Studienjahres stattfinden.
Anmeldeprozedere und Organisatorisches
Grundvoraussetzung eines Erasmusaufenthaltes ist ein bilateraler Vertrag der jeweiligen Universitäten. Des Weiteren gehe ich davon aus, dass sich auch die Erasmus-Bewerbungsabläufe der österreichischen Medizinunis unterscheiden. Somit skizziere ich hier nur mein individuelles Aufnahmeverfahren, also das Prozedere an der Medizinische Universität Graz bzw. der Faculté Lyon-Sud:
Der Bewerbungsablauf für einen Erasmusplatz beginnt im Oktober des Vorjahres mit einer Infoveranstaltung. Man bewirbt sich bei einem Fachbereichskoordinator, der für die jeweilige Stadt und Universität zuständig ist. Dabei wird ein Lebenslauf, ein Motivationsschreiben, der Studienerfolgsnachweis und ein Nachweis über die jeweiligen Fremdsprachkenntnisse verlangt. Nachdem man nominiert wurde, entscheidet der Studienfortschritt bzw. Zusatzfaktoren (wie z.B. die Teilnahme am Mentoringprogramm für Incomings) über die Platzvergabe an den einzelnen Universitäten. Konkret wurde nach jenen Kriterien gelistet und bei einem Zusammentreffen an der Kinderklinik von Prof. Müller die Plätze vergeben. Für manche war dies eine aufregende Stunde, die ein wenig Basarcharakter hatte, jedoch empfand ich es als sehr fair. Ist der Platz von Grazer Seite vergeben, gilt es das Erasmusstipendium zu beantragen und eine Kaution von 100€ zu hinterlegen, wobei es hierfür wiederum eine Infoveranstaltung gibt. Vielleicht ist es noch wichtig anzumerken, dass besondere Sprachkenntnisse eigentlich nicht nötig waren. Ich hatte vier Jahre Französisch in der Schule und habe lediglich diesen Nachweis in meine Bewerbungsunterlagen gegeben. Andererseits wird von der Universität in Lyon ein Sprachniveau von B2 empfohlen (aber nicht vorausgesetzt).
Faculté Lyon-Sud oder Lyon-Est?
Nach der Nominierung für einen Platz in Lyon, muss man sich für eine der beiden Fakultäten entscheiden. Lyon-Est und Lyon-Sud unterscheiden sich durch den Ablauf der jeweiligen Kurse und Praktika (stages). Zusammenfassend ist es so, dass man an der Fakultät im Osten im 6 Wochentakt abwechselnd Kurse und Praktika hat. Die stage ist dabei ganztags, aber sehr abhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten im jeweiligen Krankenhaus. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass man lediglich zwei bis drei Tage die Woche Praktikum hat. Ein Vorteil von Lyon-Est ist, dass es relativ zentral liegt, wohingegen Lyon-Sud in einem südlichen Vorort namens Ouillin gelegen ist. Dort finden die Praktika durchgehend statt, jedoch nur halbtags am Vormittag. Man kann dementsprechend in derselben Zeit mehr Praktika in Lyon-Sud absolvieren im Vergleich zu Lyon-Est. Vorlesungen (es gibt keine verpflichtenden Kurse) finden ab 14 Uhr nachmittags statt. Ich empfand das System aus halbtägigen Praktika und Vorlesungen als sehr gut und lehrreich und habe mich daher für die Faculté Lyon-Sud entschieden.
Bewerbungsablauf Lyon-Sud
Das Erasmusbüro in Graz kümmert sich darum, die jeweilige Uni zu informieren, wer den Platz zur Verfügung gestellt bekommt. Alles Weitere liegt in der Hand der Nominierten. Konkret bedeutet dies, dass man per Mail oder telefonisch mit den zuständigen Erasmusbüros in Lyon (Sud oder Est) in Kontakt treten muss. Ich habe eine E-Mail von Madame Aurelie Lucas bekommen, die für die südliche Fakultät zuständig ist. Man muss ein Formular mit eigenen Daten und Formalitäten ausfüllen, theoretisch auch ein kleines Motivationsschreiben (französisch oder englisch) schicken, jedoch wurde es von mir nicht verlangt und eine Liste mit Wünschen der stages ausfüllen. Des Weiteren ist das Learning Agreement, das als Vereinbarung und Versicherung zwischen dem Erasmusstudierenden und der Gastuniversität dient, auszufüllen und nach Lyon zu schicken. Ich musste meine Unterlagen per Post (eingeschrieben) nach Lyon bzw. Oullin senden. Die Uhren ticken in dieser Hinsicht etwas langsamer in Frankreich. Der Brief ist tatsächlich angekommen und es hat alles reibungslos funktioniert.
Wohnen (wie Gott in Frankreich?)
Man hat als Erasmus-Studierender das Recht auf ein Zimmer in einem der vielen staatlichen Studentenwohnheime (Crous). Genauere Informationen bezüglich Anmeldung und Verfügbarkeit bekommt man von dem/der Erasmus-Beauftragten in Lyon. Man kann Präferenzen bezüglich des Heims angeben, allerdings wird man von Crous eingeteilt, je nach Verfügbarkeit der Zimmer. Ich habe mich anfangs für ein Zimmer im Studentenheim entschieden, weil es eine billige und sichere Option darstellte (Preis: ca. 200 € / Monat). Allerdings spiegelt es nicht im Geringsten jene Anspielung in der Überschrift wider und je nach MitbewohnerInnen kann es auch etwas anstrengend sein. Ich habe zwei Monate in der Résidence universitaire André Allix verbracht, die wenig mit einer „Residenz“ im deutschen Wortsinn gemein hat. Nach langer Wohnungssuche habe ich über Chez Nestor eine WG gefunden, mit der ich schlussendlich sehr zufrieden war. Dabei muss man allerdings mit 400 – 700 € / Monat rechnen.
La vie médicale
Ich habe zwei Erasmus-Studiensemester in Lyon verbracht, somit sowohl Praktika absolviert als auch Kurse besucht. Dabei hat mir besonders das fallbezogene Lernen sowie die Möglichkeit, sich selbst einzubringen, gut gefallen.
Vorlesungen & Prüfungen
Prinzipiell werden an der Fakultät Lyon Sud Vorlesungen nur nachmittags angeboten. Es ist dabei möglich in jede Vorlesung zu gehen, Prüfungen darf man jedoch nur bei Vorlesungen aus dem 4. bzw. 5. Studienjahr des französischen Systems ablegen. Das sind alle klinischen Fächer (außer Anästhesie), jedoch finden natürlicherweise nicht alle in einem Semester statt. Von der Erasmusbeauftragten der Fakultät (Madame Aurélie Lucas) bekommt man das „Handbook Lyon Sud“, in dem alles über die verschiedenen Fächer zu finden ist. Klausuren finden am Ende des Semesters satt. Es handelt sich um Multiple-Choice Fragen, die über iPads (tablettes) anzukreuzen sind. Grundsätzlich werden zwei oder drei klinische Fälle geprüft, zu denen je 10 – 15 zusammenhängende Fragen gestellt werden. Die Prüfungen finden auf Französisch statt, man darf allerdings ein Wörterbuch zu Hilfe ziehen. Zur Prüfungsvorbereitung sollte man die Vorlesungen besuchen, da meistens Fälle zur Klausur kommen (bzw. sehr ähnliche), die bereits in der Vorlesung durchgemacht wurden. Man kann sich auch bei der medizinischen Fachschaft „Ameuso“, welche direkt auf dem Campus von Lyon-Sud ansässig ist, Zusammenfassungen von den Vorlesungen abholen, die so genannten „Roneos“. Diese kosten 10€ pro Semester, umfassen alle Vorlesungen des 4. bzw. 5. Studienjahres und sind – selbst wenn man regelmäßig an den Vorlesungen teilnimmt – sehr empfehlenswert für die Klausurvorbereitung. Generell ist zum Aufbau der Vorlesung zu sagen, dass im Vergleich zu Österreich mehr an der Praxis orientiert gelehrt wird. Dabei stellen die ProfessorInnen zumeist anhand von klinischen Fällen die wichtigsten und häufigsten Erkrankungen ihres Fachgebietes vor. Zudem ist es auch meistens viel interaktiver, da die Fälle im Hörsaal diskutiert werden.
Stages = Praktika
Die stages sind frei wählbar, jedoch wird man von der Fakultät eigenhändig in Krankenhäuser, die über ganz Lyon verstreut sind bzw. in Vororten wie Ouillin oder Bron liegen, eingeteilt. Es ist somit nicht wirklich möglich eine Wohnung in der Nähe des Krankenhauses zu suchen, da man in der Regel in vielen unterschiedlichen sein wird.
Stages laufen prinzipiell wie Famulaturen ab, allerdings wird den französischen Studierenden mehr Eigenverantwortung zugemutet. Jedem Studierenden werden in der Regel PatientInnen zugeteilt, wobei meistens Aufnahmen und Statuserhebungen zu erbringen sind. Anschließend wird im Computersystem dokumentiert, dem zuständigen Assistenz-arzt/-ärztin geschildert und allfällige Tätigkeiten, wie EKG-Schreiben oder weitere Dokumentation werden erledigt. Als Erasmusstudierender hat man jedoch einen Sonderstatus und kann machen, was man sich zutraut. Bezüglich Versicherungen (insbesondere der Haftpflicht) reicht die internationale Versicherungsbestätigung der ÖH aus. Man muss dementsprechend keine französische Versicherung abschließen.
Um Verwirrungen vorzubeugen, noch ein paar Begrifflichkeiten: Als Studierender ist man im Krankenhaus ein sogenannter Externe, Assistenzärzte, die zwar im französischen System noch als Studierende gelten (und auch nicht sehr ärztlich bezahlt werden), werden Internes genannt. Geführt wird eine Station vom Chef de Service, Fachärzte bzw. Fachärztinnen sind entweder Praticien hospitalier (PH) oder Praticien hospitalier universitaire (PHU).
Meine erste stage in Frankreich verbrachte ich auf der Nephrologie. Das Praktikum an sich war fachlich sehr gut. Es fiel vor allem Stationsarbeit an, aber für den Beginn war das gerade Recht, um sich die nicht enden wollenden Abkürzungen anzueignen. Der Versuch eine Liste zu schreiben, um sie mir besser merken zu können, half mir zwar, aber der Alltag war dennoch vom Nachfragen, was diese oder jene Abkürzung bedeute, geprägt. Sehr hilfreich ist auch das Abkürzungsverzeichnis des Büchleins „Französisch für Mediziner“, geschrieben von Freiburger Medizin-StudentInnen. Neben der klassischen Niereninsuffizienz, unter der so gut wie jeder/e Patient/in litt, kamen auch einige recht interessante Erkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder Glomerulonephritiden vor. Die häufig durchgeführten Nierenbiopsien fand ich sehr interessant. Prof. Juillard führt einmal pro Woche ein Seminar für Studierende durch, das durchaus anspruchsvoll und sehr lehrreich war. Ebenso wurden von Prof. Fauvel Seminare angeboten, die ich sehr empfehlen kann.
Als Erasmusstudierender darf man frei entscheiden, wo man sich einteilen lassen möchte: Dabei stehen entweder die Normalstation, der Ambulanzbereich (Consultations) oder der OP zur Verfügung. Ich kann vor allem die Consultations empfehlen, die offiziell um 08:30 Uhr, (praktisch 09:00 Uhr) starten, da man viele PatientInnen sieht und einen guten Überblick gewinnt. Die Consultations führen entweder Fachärzte/innen oder Internes durch. Ich habe mich nach erstem Schnuppern häufig bei den Internes eingetragen, da man hier meistens mehr machen darf. Prof. Ceruse ist ein sehr renommierter HNO-Spezialist und ich kann jedem raten, sich in seinem OP einteilen zu lassen. Allerdings ist dies auch unter französischen Studierenden nicht gerade unpopulär.
Bei dieser stage werdet ihr in drei Kleingruppen von ca. sechs Leuten aufgeteilt, die sich auf die Bereiche Service (Station), Hôpital du jour (Tagesklinik) und Consultations (Sprechstunde) aufteilen. Auf der Station und in der Tagesklinik kümmert ihr euch um eure eigenen PatientInnen. In der Regel übernimmt man eine Neuaufnahme pro Tag, bei der man dann die Eingangsuntersuchungen macht, die erste Anamnese erhebt und je nach Patient/in EKGs schreibt. Bei den Sprechstunden hängt es stark davon ab mit welchem/r Arzt / Ärztin ihr unterwegs seid. Prof. Dalle beispielsweise handhabt es so, dass er zwei PatientInnen gleichzeitig aufruft, um eine/n davon kümmert er sich selbst, den / die Andere/n untersucht und befragt ihr als Studierende zunächst selbst, bevor ihr ihm erklärt was ihr rausgefunden habt. Donnerstags findet immer ein Seminar statt, in dem Fälle anhand von Bildern dargestellt werden, zu denen man als Studierender eine Verdachtsdiagnose stellen und die weiteren Maßnahmen erläutern soll. Dies wird vor allen Externes und Internes als mündliche „Prüfung“ durchgeführt, sodass mir das ganze beim ersten Mal etwas Respekt einflößte. Aber auch viele französische Externes hatten ihre Probleme und insgesamt wird es in einer durchaus gelassenen und humorvollen Atmosphäre abgehalten.
Die Kardiologie teilt sich in Cardio A und B sowie in Cardio Intensif mit Herzkatheter. Meine stage fand auf der Station A statt, die eine normale kardiologische Bettenstation ist. Auf Cardio B werden PatientInnen tagesklinisch behandelt, wodurch die Zeit pro Status (für die Externes) um einiges kürzer ist. Man kann ohne weiteres zwischen A und B wechseln. Auch ein Besuch beim Herzkatheter sollte kein Problem darstellen, obwohl dies nicht vorgesehen ist. Die kardiologische Intensivstation ist wiederum eine eigene stage. Ich habe die meiste Zeit mit EKG-Schreiben und Status-Erheben verbracht. Obwohl es nicht immer das aufregendste Praktikum war, habe ich Einiges über die Interpretation des EKGs gelernt. Am Ende der stage wurde jeder / jede Externe von einem Oberarzt / Oberärztin über sehr allgemeine kardiologische Problemstellungen geprüft und ein EKG lag zur Interpretation vor. Es bestand kein Grund zur Beunruhigung, da dies sehr entspannt und locker ablief und meine „Befragung“ sich mehr um das Medizinstudium in Österreich als um Fachliches drehte.
Hier war ich im urologischen OP eingeteilt, was sich letztendlich als Glücksfall herausstellte. Denn das Team war sehr nett und hat mich, inklusive ÄrztInnen, Internes und Anästhesie-Pflegepersonal sehr herzlich integriert. Spezifisch für die Urologie in der Uniklinik Lyon-Sud ist, dass es ein Zentrum für geschlechtsangleichende Operationen und OPs mit Robotertechnik darstellt. Einmal pro Woche findet ein Seminar statt, das sehr locker und lehrreich durchgeführt wurde und die wichtigsten Notfälle oder Allgemeines zur Anästhesie behandelte. Als Fazit würde ich jene stage als eine der besten in meiner Zeit in Lyon beschreiben.
Freizeit und Reisen
Lyon – La capitale des Gaules
Die alte Hauptstadt der Gallier und der französischen Kulinarik, wie oft propagiert wird, hat vieles zu bieten. Die von den Römern auf dem Hügel Fourvière unter dem Namen „Lugdunum“ gegründete Niederlassung wurde bald zum Zentrum der Gallier, was man unter anderem am Théâtre gallo-romain bestaunen kann. Sehr schön ist, dass sich zwischen Saône und Fourvière schmiegende Vieux Lyon, das eine der größten Renaissance-Altstädte Europas darstellt. Hervorzuheben ist die alte, im 12. Jahrhundert gegründete Kathetrale St. Jean am Fuße des Hügels auf dem die (viel jüngere, im 19.Jahrhundert gebaute) Basilika Notre Dame de Fourvière, die zum Wahrzeichen der Stadt wurde, thront. Die Bedeutung Lyons, obwohl an einer Kreuzung der Hauptverkehrswege des römischen Reiches gelegen, nahm im Mittelalter ab, bis die Kunst der Weberei sie wieder zu kultureller Blüte führte. Vor allem auf dem Hügel Croix Rousse im Norden der Stadt, anschließend an die zwischen den beiden Flüssen Saône und Rhône gelegene Presqu’île, aber auch in der Altstadt findet man die Überreste jener Zunft. Besonders interessant sind die teils sehr langen Durchgänge zwischen den einzelnen Häusern, die den Seidenwebern als Transportwege dienten. Jene Traboules sind öffentlich zugänglich und sind mit mit kleinen Hinweisen an den jeweiligen Straßenecken markiert.
Museumsinteressierten kann ich das Musée des Beaux Arts direkt neben dem Hôtel de Ville empfehlen. Hier befindet sich eine große Sammlung an Skulpturen, Kunstwerken und Münzen aus verschiedensten Epochen und ein wunderschöner Innenhof (unter anderem mit einer Plastik von Auguste Rodin). Der Eintritt für StudentInnen kostet 4€, der Zugang zum Innenhof ist gratis. Des Weiteren ist das vor einigen Jahren neu errichtete Musée de Confluence (vor allem architektonisch) interessant. Die Dauerausstellung widmet sich der Entwicklung des Menschen, zudem gibt es regelmäßig wechselnde Sonderausstellungen mit Schwerpunkt auf Naturwissenschaftlichem. Der Eintritt ist hier für Studenten unter 26 Jahren gratis. Wie im Namen bereits enthalten, befindet es sich am Zusammenfluss der Saône in die Rhône. Sehr empfehlenswert ist auch das Institut Lumière. Hier geht es um die Geschichte des Films und des Kinos, welches in den Grundzügen von den beiden großen Söhnen der Stadt, den Frères Lumières, entwickelt wurde. Das Museum befindet sich in ihrem alten stattlichen Wohnhaus. Eintritt für Studenten hier ist 6€. Daran angeschlossen ist auch ein großes Kunstkino, das sich vor allem Klassikern der Filmgeschichte widmet, die oft moderiert gezeigt werden. Außerdem befinden sich viele kleine Museen in der Altstadt, wie das Seidenwebermuseum in Croix Rousse (Maison des Canuts) und das Museum für zeitgenössische Kunst nahe der an der Cité International gelegenen Zentrale von Interpol.
Klassikinteressierte dürfen das Auditorium Lyon nicht verpassen, da hier zu geringen Preisen sehr hochwertige Konzerte stattfinden. Es wird auch pro Jahr oder Semester ein Gratiskonzert für Studierende angeboten. Eine deutsche Erasmusstudentin ist hierbei in den Genuss gekommen, vor versammeltem Konzerthaus unerwarteter Weise zu Tschaikowski den Dirigentenstock zu schwingen. Ein groß aufgezogenes Event, welches jedes Jahr Anfang Dezember stattfindet, ist die Fête des Lumières. Hier kommen lokale sowie internationale Lichtkünstler, um ihre Lichtinstallationen an markanten Punkten im gesamten Zentrum Lyons zu installieren und dadurch wichtige Monumente und Plätze in Szene zu setzen. Dies ist durchaus sehenswert, die Stadt ist allerdings mit über 2 Millionen BesucherInnen an diesem Wochenende sehr überlaufen.
Wer Alternatives sucht, der ist am ehesten noch in Croix Rousse und den Pentes de la Croix Rousse an einer fündigen Adresse, jedoch ist in Lyon (vergleichsweise zum Beispiel zu Marseille) wenig alternative Kultur zu finden. Es finden jedoch häufig kleinere Konzerte oder Lesungen statt. In der Bar La Boîte À Gants mit nahezu familiärer Atmosphäre waren zum Beispiel Balkansounds hoch im Kurs.
Jazzinteressierten kann ich das La Clef de Voûte an des Pentes de la Croix Rousse empfehlen. Ich habe hier ein paar sehr coole Jazzsessions gehört. Wer mehr an Rock’n’Roll oder Twist interessiert ist, der sollte um die Ecke ins Le Bec de Jazz gehen, das zwar immer sehr überfüllt ist, aber seinen Reiz hat. Leider spielt der etwas eigenwillige Chef nur ab und zu selbst am Klavier, die restliche Zeit werden 20er und 30er Jahre Musik abgespielt zu auf engstem Raum tanzenden Publikum.
Kulinarik
Lyon als kulinarisches Zentrum Frankreichs rund um den Sternekoch Paul Bocuse verleitet zum Schlemmen trotz teils sehr hoher Preise. Die klassische Lyoner Küche (z.B. Andouillette) wird in den sogenannten Bouchons serviert und ist sehr deftig, preislich aber zumeist mit österreichischen Verhältnissen vergleichbar. Viele Bouchons liegen in Vieux Lyon und auf der Presqu’Île zwischen dem Place Bellecour und dem Hotel de Ville. Ein kleiner Geheimtipp ist die L’Epicerie in der Rue de la Monnaie auf der Presqu’Île. Hier gibt es überbackene Brote, guten Wein und Tartines, also verschiedenste Torten, zu sehr günstigen Preisen (Überbackenes plus Tartine für unter 10€). Des Weiteren findet man in der ganzen Stadt Bar à vins, in denen man viele verschiedene, gute französische, aber auch internationale Weine erhält und dazu eine Käse- oder Wurstplatte mit Brot als Snack nebenher. Empfehlen kann ich die Cave d’à Coté nahe dem Place Saint Nizier. Gehobenere Küche wird in den Ausbildungsbrasserien von Paul Bocuse serviert, die nach den vier Himmelsrichtungen benannt sind. Sehr atmosphärisch ist es auf der Terrasse der Brasserie Le Sud mit Blick auf den Place Bellecour und Fourvière. Menüs sind zwischen 25 und 35 € erhältlich. Ebenso unter dem Stern des vielgerühmten Koches stehen die Halles Paul Bocuse, in denen man – leider zu kaum leistbaren Preisen – Feinkost aus aller Welt kaufen oder vor Ort speisen kann. Mit klassischen bodenständigen Markthallen sollte man es jedoch nicht verwechseln. Ein zu einer Lyoner Institution gewordenes Restaurant ist die 1836 gegründete Brasserie George, die mit feiner elsässischer (aber auch traditionell Lyoner) Küche und ihrem sehr guten selbst gebrauten Bier, das man im Übrigen auch à emporter (zum Mitnehmen) erhält, überzeugt.
Allen ans Herz legen möchte ich das Café Bellecour am gleichnamigen Platz: Ein schönes, mittelgroßes, altes und mit zahllosen Bildern verhangenes Kaffeehaus, das sich von den vielen hippen Thekencafés durch Wiedererkennungswert und lange Geschichte auszeichnet. Ich habe dort viele Stunden verbracht! Ebenso am Place Bellecour befindet sich der Pignol, ein altgedienter Feinkostladen mit angeschlossenem Café, das Pâtisserie und Lyoner Fleischspezialitäten von höchster Qualität verkauft. Ich habe mir hier ab und zu eine Quiche gekauft, die ich sehr empfehlen kann.
Uni-Sport
Das Unisportangebot in Lyon ist sehr breit gefächert, von Fußball über Tennis, Klettern, Radfahren, Schwimmen bis Skifahren. Um teilzunehmen muss man sich im Internet, auf der Homepage der Universität, für die Kurse einschreiben. Jeder/e hat Anrecht auf einen Kurs, wenn Plätze freibleiben, hat man auch die Möglichkeit mehrere Kurse zu belegen. Die Kurse sind für Erasmus-Studierende kostenlos. Lediglich bei Ausflügen (Skifahren) fallen Gebühren an. Ich persönlich habe an einem Schwimmkurs teilgenommen, der einmal die Woche stattfand und mit dem ich sehr zufrieden war. Was ich ebenso empfehlen kann sind Skiausflüge über Organisationen wie Skimania oder Skipower. Diese bieten an den Wochenenden organisierte Fahrten an, bei denen man früh morgens (meistens um 5:45 Uhr) am Place Bellecour mit dem Bus losfährt, den ganzen Tag auf der Piste ausnutzen kann und abends gegen 20-21 Uhr wieder in Lyon ankommt. Der Gesamtpreis (Transfer und Skipass) liegt bei knapp über 40€.
Reisen
Lyons geographische Lage bietet einen guten Ausgangspunkt um den Süden Frankreichs und die Alpen zu bereisen. Ich habe einige Städtetouren gemacht und dabei Paris, Marseille, Montpellier, Avignon, Toulouse, Bordeaux, Annecy, Grenoble, Strasbourg und Dijon besucht. Die Wochenenden boten sich hierfür an. Der TGV ist sehr schnell, leider aber auch sehr teuer. Im Voraus kann man jedoch durchaus günstige Tickets über Ouigo ergattern. Die günstigste Variante, um von A nach B zu kommen, ist die Mitfahrbörse Blablacar oder Flixbus, die auch in Frankreich über ein sehr gut ausgebautes Netz verfügen. In den offiziellen Semesterferien (eine Woche) habe ich mir mit einem guten Freund ein Auto gemietet und wir haben die Côte d’Azur bzw. die Provence besichtigt. Cannes und Nizza kann ich persönlich weniger empfehlen, ist aber sicherlich Geschmacksfrage. Von Aix-en-Provence war ich hingegen sehr angetan. Kleine Städte wie Nîmes oder Arles oder Dörfer wie Saint Paul de Vence oder Entrecasteux haben mir auch sehr gut gefallen. Autos kann man entweder über bekannte Vermieter wie sixt oder rentalcar leihen oder um einiges günstiger über Ouicar von Privatpersonen mieten. Erster Skepsis zum Trotz läuft dies sehr seriös ab. Man setzt einen (vorgefertigten) Vertrag auf und ist auch über Ouicar versichert.
In der unmittelbaren Umgebung Lyons liegt Perouges, ein schönes, mittelalterliches Dorf, das sehr gut restauriert ist. Auch das nah gelegene Römerstädtchen Vienne soll sehr schön sein, habe ich persönlich aber nicht bereist. Außerdem laden die französischen Alpen sowohl zum Skifahren als auch zum Wandern ein. In Chamonix am Mont Blanc lässt sich beides gut machen. Über Skimania war ich zum Beispiel in Saint François Longchamp Ski fahren. Im Übrigen bietet auch die Erasmus-Organisation ESN-Lyon einige Ausflüge im Semester an. Dabei habe ich an einem Tagesausflug in die Bourgogne teilgenommen, das Kloster Cluny besichtigen und Wein verkosten dürfen. Etwas mehr Massenabfertigung, aber qualitativ nicht schlecht und man lernt einige Leute kennen.
Résumé
Die neun Monate in Lyon waren eine prägende Zeit für mich. Auf der Basis des Studiums habe ich die französische Kultur und Sprache näher kennen lernen und zwei sehr schöne Erasmus-Semester verbringen dürfen. Dabei habe ich vor allem in den stages fachlich viel gelernt. Des Weiteren konnte ich mit zahlreichen Medizinstudierenden aus vielen Ländern Europas in Kontakt treten, wovon einige gute Freunde wurden. Neben der Medizin hatte ich auch noch Zeit ein paar Vorlesungen anderer Fachgebiete zu beschnuppern. Meine anfangs etwas spärlichen Sprachkenntnisse haben sich schnell verbessert und eine gewisse Frankophilie ist mir sicherlich geblieben.
Kosten
Flüge (Hin- und Retour von Wien) | Ca. 100 – max. 200 € (inkl. Aufgabegepäck) Direktflüge mit Austrian, Lufthansa und Easyjet (bei frühzeitigem Buchen ev. noch billiger) |
Unterkunft (pro Person) Studentenwohnheim WG-Zimmer | Ca. 200 € / Monat Ca. 450 – 700 € / Monat |
Verpflegung (Essen & Trinken) | Ca. 400 € / Monat |
Transport Öffis (TCL) Citybikes (Velo‘v) | 31 € / Monat (Karte: 5 €) 15 € / Jahr (Abo, 1. Stunde gratis) |
Freizeitaktivitäten (Ausflüge, Veranstaltungen etc.) | Ca. 300 € / Monat |
Erasmusstipendium | + ca. 425 € / Monat |
Gesamt: | Ca. 1.000 – 1.500 € / Monat |
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Interessante Webseiten
- Lyon und Tourismus: Allgemeines zur Stadt bzw. Tourismus
- Homepage der Faculté Lyon Sud: Informationen für internationale Studierende
- Studentenwohnheime: Ein Überblick
- Wohnung / WG:
- Transportmöglichkeiten:
Kontakt
Bei Fragen zu Michael Reisingers Famulatur, oder bei Fragen an Michael Reisinger persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein E-Mail an: media@goinginternational.org
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung
Reisinger, Michael: Lyon – Erasmus à la française (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail MM/JJ, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2020)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 03/2020 (Deutsche Ausgabe).
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