von Stephan Salzmann.
Wie alles begann
Im Rahmen meines letzten Studienjahres habe ich durch ein Programm von Going International drei Monate am Pennsylvania Hospital, einem Lehrspital der University of Pennsylvania, absolvieren dürfen. Diese Zeit war mit Abstand die lehrreichste und spannendste Erfahrung meines Studiums.
Aufgrund meiner überaus positiven Auslandserfahrung in den USA habe ich beschlossen, dort nach meinem Studienabschluss an der Medizinischen Universität Wien vorerst einmal Fuß zu fassen und mich dieser Herausforderung zu stellen. Die Voraussetzung für alle, die in den USA ärztlich tätig werden wollen, ist die „United States Medical Licensing Examination“ (USMLE).
Ich möchte an dieser Stelle einen Erfahrungsbericht mit Tipps und Hilfestellungen bieten. Diese beruhen größtenteils auf Empfehlungen von amerikanischen ProgrammdirektorInnen und AssistenzärztInnen, sowie Studierenden in Vorbereitung zur USMLE und KollegInnen, die diese Prüfungen bereits absolviert haben.
Die USMLE-Prüfungen
Um in den USA die Berechtigung zur selbstständigen Ausübung des ärztlichen Berufes zu erlangen, ist der dreiteilige UMSLE Test zu absolvieren. Egal, ob man ein International Medical Graduate (IMG) oder ein US-Staatsangehöriger ist, man muss sich „dieser Prozedur“ unterziehen. Der erste Teil dieser Prüfungsserie ist USMLE Step1, ein standardisierter Computer-Test, der das Wissen der vorklinischen Fächer überprüft. Zurzeit beinhaltet USMLE Step1 sieben Blöcke zu je 46 Fragen, wobei zur Beantwortung dieser Multiple-Choice-Fragen jeweils 60 Minuten zur Verfügung stehen.
Man möchte meinen, es sei rein medizinisches Wissen, das zu einem erfolgreichen Testergebnis führt, jedoch sollte man unbedingt im Auge behalten, wie man strategisch an die Testsituation herangeht. In der Vorbereitungsphase geht es ja nicht ausschließlich darum, sein Wissen zu vertiefen, sondern vor allem zu lernen, effizient mit dem vorgegebenen Zeitdruck umzugehen.
Eine gute Vorgehensweise ist es, sogenannte „Question-Banks-Fragen“ unter Zeitdruck zum Testen durchzugehen. Diese Question-Banks sind zwar kostenpflichtig, aber definitiv eine Investition wert, wenn man Folgendes erreichen möchte:
- Wissensgenerierung – Anhand von Fragen wird neues Wissen generiert, da ständig anhand des neuesten Wissensstandes der Forschung geprüft wird und die Antwortmöglichkeiten mit viel Hintergrundwissen ausgestattet sind.
- Zeitmanagement – Man lernt, mit Zeitdruck umzugehen und ihn zu managen.
- Effizienzsteigerung – Man verbessert seine Effizienz Fragen zu beantworten. Als Beispiel: Die Fragenstämme können bei der UMSLE im Vergleich zur in Österreich gängigen Summativen Integrierten Prüfung[1] (SIP) sehr lange sein. Im Gegensatz zur SIP hat man oftmals mehr als fünf Möglichkeiten, eine Frage zu beantworten. Man beachte, die Zeit arbeitet gegen einen, daher muss man lernen „anders“ an die USMLE Prüfungssituation heranzugehen, als man es aus dem europäischen Bildungswesen gewohnt ist.
USMLE – empfohlene Herangehensweise
Allgemeine Informationen zum USMLE Test findet man im Buch First Aid for the USMLE Step1 von Tao Le (Mcgraw-Hill Verlag). Der Schlüssel zum Erfolg ist, sich sofort zu Beginn der Vorbereitungsphase über ein paar Punkte klar zu werden. Ich habe mir bereits in der Vorbereitungsphase folgende Fragen gestellt:
- Welchen Target Score möchte ich erreichen?
- Wieviel Zeit benötige ich und wann werde ich den Test absolvieren können?
1. Target Score
Ein Score von 192 Punkten genügt, um die USMLE zu bestehen. Dennoch, das sollte nicht das Ziel sein. Der amerikanische Durchschnitt liegt bei ungefähr 221 Punkten. Wer in diesem Testverfahren jedoch brillieren und somit zukünftigen Bewerbungsverfahren positiv vorwirken möchte, sollte das persönliche Punkteziel jenseits der 250 Punkte ansiedeln. Man sollte sich auch im Klaren sein, dass der notwendige Score für chirurgische Fächer in den USA im Vergleich zu konservativen Fächern im Allgemeinen höher liegt. Ein überdurchschnittlicher Score ist natürlich auch dann erforderlich, wenn man sich an einer renommierteren Klinik bewerben möchte.
Was man unbedingt wissen sollte: Wer den Test einmal positiv absolviert hat, kann den Test nicht wiederholen und so den Score nicht verbessern.
2. Zeitplan – Festlegen USMLE Step1 Prüfungstermin
Im Allgemeinen ist zu empfehlen, USMLE Step1 nicht vor Absolvierung der vorklinischen Fächer zu absolvieren. Da ein Großteil der Fragen in sogenannten Fall-Vignetten gestellt wird, ist mit Sicherheit auch klinische Erfahrung von Vorteil. Ich persönlich plädiere für die Absolvierung der USMLE in der letzten Phase des Studiums beziehungsweise kurz nach Studienabschluss. Somit geraten die präklinischen Inhalte nicht in Vergessenheit. Des Weiteren befürworte ich das Festlegen eines Testtermins bereits zu Beginn der Vorbereitungsphase. Somit ist man dem nötigen Druck ausgesetzt, um den gesteckten Lernplan auch wirklich einzuhalten und Zeitverschwendung durch unstrukturiertes „vor sich hin Lernen“ zu verhindern.
Strategie – Zeitplanung
Hier sei ein kurzer Überblick gegeben, wie sich meine Lernwochen im Zuge der Testvorbereitung gestalteten.
1. Mein typischer USMLE-Wochentag
Kein Tag gleicht dem anderen. Dennoch hat sich in der intensiven Vorbereitungszeit folgende Routine bewährt:
- 30 min: Wiederholen alter Inhalte
- 4 – 6 h: Lernen neuer Inhalte
- 2 – 3 h: Durcharbeiten zweier Sätze der Question-Bank (ein Satz beinhaltet 46 Probefragen und ist mit einer Stunde Zeitaufwand berechnet). Anschließend sollte man ca. eine Stunde für das Nachbereiten der Fragen und Notieren neuer Information einplanen.
- 30 – 60 min: Wiederholen der am Tag gelernten Inhalte
2. Mein typisches USMLE-Wochenende
Wochenenden sollten primär der Wiederholung länger zurückliegender Inhalte gelten. Des Weiteren sollte man sich auf persönliche thematische Schwächen konzentrieren und versuchen diese zu reduzieren.
Strategie – erfolgreiches Lernen
Hier ein kurzer Überblick über jene Materialien, die meinen Lernerfolg wesentlich unterstützt haben. Es ist selbstredend, dass ich an dieser Stelle keine Werbung für spezielle Unternehmen mache.
Vorbereitungsbücher
- First Aid for USMLE Step1: Dieses Buch ist ein Muss. Es bietet einen genauen Leitfaden durch die Prüfungsvorbereitung, ein extra Kapitel für IMGs, und einen knapp gehaltenen Abriss durch den gesamten Stoff von Step1. Vollständig ist es sicherlich nicht, aber wenn man die Fragen aus dem Buch gut gelernt hat, ist das Risiko auf einen negativen Prüfungsausgang gering.
- Rapid Review – Pathology: Neben First Aid das zweitwichtigste Buch. Der Begriff „Pathology“ ist viel weiter gefasst als bei uns und beinhaltet Fragen zu Diagnose und Therapie von Krankheitsbildern, hauptsächlich aus der Inneren Medizin, allerdings findet man eher weniger Fragen aus der Histopathologie.
Question Banks
- USMLE World (Online-Datenbank): Software mit über 2.500 Prüfungsfragen, die den originalen Prüfungsfragen sehr ähnlich sind. Die Fragensammlung deckt (fast) den ganzen Stoff ab und ist eine ausgezeichnete Vorbereitung für die Prüfung. Jede Frage bietet eine lange Erklärung, die sehr gut geeignet ist, um den Stoff zu wiederholen. Ich empfehle alle Fragen im Tutor-Modus durchzumachen und dann danach die falsch beantworteten Fragen zu wiederholen. Um ein Gefühl für die Zeiteinteilung während eines Blocks zu bekommen, kann man die Fragen auch mit Stoppuhr machen.
- Kaplan QBank (Online-Datenbank): zweite Möglichkeit, meiner Meinung nach sind die Fragen nicht so nahe an der echten Prüfung wie die USMLE World Fragen.
College Block
Für schriftliche Notizen, damit neue Informationen beim Durcharbeiten der Question-Banks gleich festgehalten werden.
National Board of Medical Examiners (NBME)
Das sind zahlreiche kostenpflichtige Self-Assessments im USMLE Fragenformat mit statistischer Auswertung der Wissensgebiete. Diese kann man in jeder Phase der Vorbereitung einbauen. Etwaige wissensschwache Themengebiete werden einem deutlich vor Augen geführt. Somit können bereits in der Testvorbereitung Lernschwerpunkte gesetzt werden. Der Punktewert eines NBME Self-Assessments, knapp vor der Prüfung gemacht, sagt den USMLE Score schon relativ gut voraus.
„You get what you pay for“
Bei der USMLE lautet die goldene Regel „You get what you pay for“. Dies soll heißen, die Vorbereitung ist nicht nur sehr zeit-, sondern auch kostenintensiv, aber man wird auch dementsprechend mit Wissen belohnt. Natürlich werden auch Vorbereitungskurse zur USMLE von verschiedenen Institutionen angeboten. Hierzu möchte ich von einer spezifischen Empfehlung jedoch absehen.
Dennoch gilt: Je fundierter die Wissensbasis aus dem Medizinstudium, umso leichter die USMLE Vorbereitung. Nicht umsonst heißt es in den USA: „The day you enter medschool is the day you start learning for the USMLE“.
Resümee
Abschließend bleibt zu sagen, dass die Vorbereitung für USMLE Step1 eine unglaublich lehrreiche Zeit ist. Die Grundidee dieses Tests ist nicht rein das Wiedergeben von medizinischen Fakten, sondern das Erfassen von Zusammenhängen, um medizinische Probleme sinnvoll zu lösen. Man lernt verschiedenste Themengebiete miteinander zu vernetzen und erworbenes Wissen zu integrieren. Unzählige „AHA-Erlebnisse“ beim Trainieren sind garantiert.
Ich kann nur allen Interessierten empfehlen, diesen herausfordernden, aber dennoch spannenden Weg zu gehen. Denn wie wir alle wissen: “progress only begins at the end of your comfort zone”.
[1] Anmerkung: die Summative Integrierte Prüfung (SIP) wird im österreichischen Medizin-Studium angewendet
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Dieses E-Book soll Ihnen den Einstieg in die USMLE Welt erleichtern: Nach einem kurzen Teil mit allgemeinen Informationen finden Sie praktische Tipps sowie Vorbereitungstipps zu USMLE Step 1. Unter anderem hat auch Stephan Salzmann als Mitautor zum Entstehen des E-Books beigetragen.
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Der Erfahrungsbericht von Stephan Salzmann steht hier zum Download als PDF bereit.
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Veröffentlicht in GI-Mail 04/2018 (Deutsche Ausgabe). Abonnieren Sie GI-Mail hier.
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