von Belma Strugalioska.
Im Sommer 2018 hatte ich mich entschlossen eine zweiwöchige Auslandsfamulatur in Kairo, der mit rund 21,75 Millionen EinwohnerInnen (Stand 2022) größten Stadt Afrikas zu wagen. Ich hege seit jeher ein Interesse für humanitäre Hilfsprojekte in Entwicklungsländern. Besonders die gemeinnützigen Hilfsorganisationen Licht für die Welt und Le Petit Coeur beeindruckten mich sehr. Licht für die Welt ermöglicht Menschen, die keinen guten Zugang zur medizinischen Versorgung haben, Kataraktoperationen und verbessert dadurch ihre Lebensqualität maßgebend. Dr. René Prêtre wiederum führt mit seiner Stiftung Le Petit Coeur an Kindern mit angeborenen Herzfehlern lebensrettende Operationen in Mosambik und Kambodscha durch.
Allerdings benötigt man für die meisten Hilfsorganisationen ein abgeschlossenes Studium und nach dem FA Diplom eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren, um an einem Projekt arbeiten zu können. Auf der Suche nach Alternativen stieß ich über eine Freundin auf das Programm der medizinischen Studierendenvereinigung des öffentlichen Krankenhauses Kasr Al Ainy in Kairo. Es bot sich mir die Möglichkeit eine Ausbildung und erste Einblicke in das klinische Arbeiten mit der ärmsten Bevölkerungsschicht eines afrikanischen Staates zu erlangen.
Ich hatte keinerlei Vorstellungen, was mich in Ägypten erwarten würde. Die Homepage des Programmes wirkte sehr professionell und vertrauenswürdig. Außerdem meldete sich eine Freundin mit ägyptischem Migrationshintergrund ebenfalls für dieses Programm an. Für mich stand fest, dass sich mir mit diesem Programm und unter der glücklichen Fügung von einer eng vertrauten „Native Speakerin“ begleitet zu sein, eine unschlagbare Gelegenheit auftat, erste Schritte in Afrika zu wagen.
Bewerbungsablauf
Das Sommerkursprogramm wird von der Students’ Scientific Society „SSS“ organisiert, einer unabhängigen gemeinnützigen Organisation, welche von Medizinstudierenden betrieben wird. Diese ist der International Federation of Medical Students’ Associations (IFMSA) angegliedert. Angeboten werden zweiwöchige Famulaturen in den Bereichen Gynäkologie, Infektiologie, Notfallmedizin und Pädiatrie.
Hervorheben möchte ich den geringen administrativen Aufwand für dieses Programm. Es wird lediglich eine Studienbestätigung der Universität, eine Passkopie, ein Passbild und ein ägyptisches Touristenvisum benötigt. Man braucht auch keine zusätzliche Reiseversicherung beziehungsweise Haftpflichtversicherung. Bis auf den Flug regelt die Organisation de facto den gesamten Aufenthalt dazu gehören die Abholung vom Flughafen, den täglichen Transport zum Krankenhaus, die Hotelunterkunft sowie das Essen).
Das Sommerkursprogramm findet im Kasr Al-Ainy-Krankenhaus in Kairo statt. Das Krankenhaus Kasr Al-Aainy liegt im Herzen Kairos und ist das größte Krankenhaus in der Region. Es wurde im Jahr 1827 gegründet und behandelt mit mehr als 5.100 Betten ca 2,25 Millionen PatienInnen pro Jahr. Den PatientInnen wird eine kostengünstige oder sogar kostenlose medizinische Behandlung angeboten. Dies ist auch der Grund, weshalb vor allem die bevölkerungsarme Schicht der Region in diesem Krankenhaus betreut wird.
Keine Sprach-Barriere und flache Hierarchie unter den ÄrztInnen
Im Krankenhaus sprachen alle ÄrzteInnen Englisch, wodurch auch die Visiten für uns auf Englisch gehalten wurden. Die Hierarchie war, besonders gegenüber den europäischen Studierenden, flach. Solange man auf einen respektvollen Umgang gegenüber der Ärzteschaft und den PatientInnen achtete, hatte man keine Unannehmlichkeiten zu befürchten, auch nicht als Frau.
Lediglich die Kommunikation mit den PatientInnen gestaltete sich schwierig, da die meisten PatientInnen nur arabisch sprachen. Grundsätzlich verbrachten wir fünf bis sechs Stunden im Krankenhaus, auf Wunsch konnte man auch länger bleiben.
Leider fehlte es dem Krankenhaus an Personal und Medikamenten sowie an Schutz-Handschuhen und Desinfektionsmitteln. Es gibt keine Wartezimmer. Wartende PatientInnen schlafen auf dem Boden oder außerhalb des Krankenhauses auf der Straße. Im Krankenhaus liefen Katzen herum und leisteten uns ab und zu Gesellschaft sogar bei den Visiten.
Zu Beginn war ich auf der Tropenmedizin zugeteilt. Dort sah ich interessante Fälle von Elephantiasis, Hepatitis B/C und Crigler-Najjar-Syndrom. Aufgrund der mangelnden Primärversorgung und weniger Screeningmöglichkeiten kamen die meisten PatientInnen erst im fortgeschrittenen Krankheitstadium ins Krankenhaus, wodurch die Behandlung unter einer zusätzlich hohen nosokomialen Infektionsrate herausfordernd und die Krankheitsbilder einprägend waren. Unsere Tätigkeiten auf der Tropenmedizin beschränkten sich allerdings auf „Observing“. Da ich mehr Hand anlegen wollte und von meinen KollegInnen mitbekam, dass es auf anderen Stationen mehr für uns zu tun gab, versuchte ich nach einer Woche mein Glück auf der Gynäkologie und Notfallmedizin. Obwohl es auf der Gynäkologie laufend Geburten gab, war es immer möglich bei den Geburten anwesend zu sein und bei operativen Eingriffen oftmals am Operationstisch zu stehen. Auf der Notfallmedizin waren die Nachtschichten besonders spannend, da sich in der Nacht die Notaufnahme immer füllte. Für alle an Unfall/Trauma interessierten StudentInnen und angehenden ChirurgInnen gab es besonders in den Nachtstunden stets genug Wunden zu versorgen. In der Notaufnahme lernte ich am meisten. Ich durfte zum ersten Mal Wunden an Armen, Beinen und der Kopfhaut nähen, die meisten davon waren Schnittwunden nach Messerattacken.
Allerdings waren auch hier die Hygienestandards viel niedriger als etwa in Österreich. Oftmals mussten wir mit einem Paar Handschuhe mehrere PatientInnen versorgen. Außerdem gab es viel zu viele Patientinnen und zu wenige Ärztinnen. Einmal mussten wir sogar auf ein Familienmitglied zur Beatmung zurückgreifen. Er musste seinen Angehörigen, welcher aufgrund eines septischen Schockes aufgenommen wurde, mit der Ambu-Maske „bebeuteln“ Dennoch bestand eine gute Compliance zwischen der Ärzteschaft und den PatientInnen. Die PatientInnen haben eine mir unvorstellbar hohe Schmerztoleranz und sind über jede Hilfe dankbar. Bei traumatischen Unfällen wurde meist nur eine örtliche Betäubung mit Lidocain angewandt. Wir lernten mit wenigen Ressourcen die PatientInnen bestmöglich zu versorgen.
Mein erster Eindruck von Kairo war, sagen wir „bescheiden“. Mit so viel Armut und Verschmutzung auf den Straßen hatte ich nicht gerechnet. Aber nach dem herzhaften Empfang durch die ägyptischen Studierenden rückten alle Sorgen und Ängste in den Hintergrund. Schnell hatte ich mich an meine neue Umgebung und an meine lieben Kollegen/innen gewöhnt. Wir waren insgesamt 30 Studierende aus 8 verschiedenen Ländern (Dubai, Indonesien, Japan, Libanon, Litauen, Niederlande, Oman, Österreich, Spanien)
Zusätzlich zum klinischen Programm im Krankenhaus war jeden Tag ein Social program geplant. Wir lernten neue Aspekte des lokalen ägyptischen Lebens kennen. Zudem möchte ich erwähnen, dass Ägypter/innen sehr umgängliche und lebensfrohe Menschen sind, die gerne tanzen und singen. Wir bekamen von Ihnen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Kairos, wie den altbekannten Bazar “Khan el Khalili” und die Pyramiden zu sehen. Weiteres wurden Tagestrips nach Alexandria und zur Oase Fayoum organisiert. Einen Sandboardingtrip in der Wüste machten wir ebenfalls.
Ich war während meiner Zeit in Ägypten von den Bildern so überwältigt, dass ich mich im Nachhinein dem „Extended Social Program“ einem Bade- und Schnorchel Urlaub in Dahab anschloss. Dahab ist ein ehemaliges oasenähnliches Beduinen Dorf, das direkt am Golf von Aqaba, an der Südostküste der Sinai-Halbinsel liegt. Es war ein kleiner Geheimtipp für alle, die einen authentischen Einblick in das Landesinnere erhalten und naturnah verreisen wollten. Die vielen Tauchschulen und Restaurants waren teilweise nur mit Beduinenteppichen direkt am Meer ausgestattet. Man saß auf dem Boden auf bunten weichen Flickenteppichen, trank Tee und ließ die Weite der Wüste auf sich einwirken.
Eine Jeep-Safaritour durch die ägyptische Wüste mit einem Lagerfeuer zum Abschluss blieb mir besonders in Erinnerung.
Es war eine unvergessliche Reise, an die ich bis heute immer wieder gerne zurückblicke. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht so viel gelacht und gesungen. Ich bin sehr dankbar, diese Reise gemacht zu haben.
Kostentabelle
Flight (2 way ticket) | EUR 800 |
Fees Inclusion: •The clinical clerkship. •Accommodation (from 20th of July -2nd of August, 14 nights and 15 days in total). •2 meals per every working day (Breakfast & Lunch) •Transportation costs (including airport pickup and drop off, daily social outings, transportation to Pyramids of Giza and The Egyptian Museum, Islamic Cairo tour, Alexandria.) •Welcome package (T-shirt, SIM card, Promotional materials) | EUR 430/15days |
Social Extension program and Admission to tourist attractions | Dahab EUR 140/3days Admission to tourist attraction EUR 50 |
Total: | EUR 1420/ 18days |
Zu den wichtigen Webseiten zählen
- Students’ Scientific Society Webseite, für die ich mich für das Sommerkursprogramm angemeldet habe
- Auf der Seite des österreichischen Bundesministeriums habe ich mich bezüglich der Reiseinformationen und des Sicherheitsrisikos informiert
- Hier kann man ein E Visum für Ägypten beantragen
- sprachenlernen24.de ist ein tolles kostengünstiges Sprachprogramm
Kontakt
Bei Fragen zu Belma Strugalioskas Famulatur, oder bei Fragen an Belma Strugalioska persönlich, wenden Sie sich direkt an die GI-Redaktion. Schreiben Sie uns ein
E-Mail an: media@goinginternational.org
Haben Sie Fragen zu den Themen Arbeiten & Weiterbildung oder Jobsuche & Karriere? Dann schreiben Sie an Frau Mag. Seitz: office@goinginternational.org
Zitierung:
Strugalioska, Belma: Yalla Kairo! Kairo, die Stadt die niemals schläft (In: Polak, G. [Hg.]: GI-Mail 02/23, ISSN: 2312-0819 Going International, Wien 2023)
Diese Publikation steht hier zum Download bereit.
Veröffentlicht in GI-Mail 02/2023 (Deutsche Ausgabe).
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